Nach 18 Monaten Quasi-Lockdown, Corona und Pandemie war es an der Zeit mal wieder raus zu kommen. Ins Fjäll. Einfach, um mal wieder Perspektive auf sich selbst und die Welt zu bekommen. Der Plan war simpel genug. Von Grövelsjön nach Grövelsjön. Knapp 80km Rundtour, mit 10 Tagen Genug Zeit das Büro, die Stadt und die Hektik einfach mal hinter sich zu lassen. Ein Teil der Strecke sollte mit dem Kanu zurückgelegt werden. Corona hat den Plan etwas verändert.

Im schwedisch-norwegischen Gränslandet erstreckt sich die südlichste Fjällregion in Skandinavien. Zwischen Femund und Rogensee finden sich wenige Straßen und kleine Dörfer sowie einige STF und DNT Stationen und Hütten. Auf den Wanderkarten ist in diesem Gebiet eine dicke Rote Linie eingetragen, die dem Wanderer in den letzten Jahrzehnten bloß sagte, dass man hier eine Staatsgrenze übertritt. Soweit, so unspektakulär im Schengenraum. Der Einfluss von Corona ist jedoch vielfältig. Erst eine hartnäckige Recherche hat ergeben, dass die schwedisch-norwegische Grenze nur an offenen Straßengrenzposten übertreten werden darf. Sonst drohen massive Geldstrafen.

Der pragmatische Guide zuckt mit den Schultern und zieht einen Strich vor der Grenze. “Dann eben bis hier hin und wieder zurück. Wie beim Hobbit!” Auch kein Problem für die Mitwanderer. Ein neuer Plan war gefasst und es konnte los gehen.

Nach 2 entspannten Tagen Anreise hieß es erstmal einen Tag akklimatisieren in Grövelsjön. Ein Touristen Hotspot am Ende einer 35km langen Sackgasse nördlich vom Wintersportort Idre. Hier liegt das südlichste Siida (Sameby auf schwedisch), also Sami Gemeinde in Schweden. Was heißt, dass hier Rentierzüchter leben und arbeiten und die Tiere frei in der Umgebung anzutreffen sind.

Die Tour selber startete nicht am frühen Morgen des nächsten Tages, weil wir extrem Langsam sind. Um 11h ging es vom Parkplatz oberhalb der großen Fjällstation los. Die ersten Kilometer einlaufen mit schwerem Rucksack waren mühsam, aber nach Überqueren der 1100m hohen Jakobshögna, jeden Schritt wert! Aus dem recht engen Tal erstreckt sich eine weite Fjälllandschaft. Knapp 12km sollten es am ersten Tag werden. Durch das Fjäll hinunter ins nächste Tal um den Hävlingensee herum zu ausgewiesenen Zeltstellen. Auch in Schweden gibt es Gegenden, in denen Wildzelten reglementiert ist. Am Rande des Töfsingdalen Nationalpark eine Besonderheit. Etwas Regen kündigte sich bei Ankunft an, weshalb schnell die Zelte und das Tarp aufgebaut und im trockenen ein leckerer Linseneintopf gekocht wurde. Leichte Gewitter, also Thor der 2-3 mal kräftig mit Mjölnir aufs Fjäll schlägt, mit etwas Regen ließen uns früh ins Zelt kriechen. Der nächste Tag sollte anstrengend werden.

An Tag 2 galt es 200 Höhenmeter aufzusteigen. Ist nicht viel auf 6km, aber nachdem wir den Hävlingensee hinter uns gelassen hatten, stellte sich heraus, dass der gesamte Aufstieg durch verblocktes Gelände führte. Schwedische Wanderwegbauer sind dankenswerter weise immer bemüht den leichtesten Weg zu finden. Dennoch, wenn man nur einmal im Jahr in ähnlichem Gelände unterwegs ist, geht’s an die Pumpe. 

Zum frühen Nachmittag, kurz vor einer Schutzhütte, zogen langsam neue Gewitter auf, sodass wir entschieden an der Hütte zu bleiben. Interessanterweise lag die Hütte genau an der Schwedischen Hauptwasserscheide. Zum Norden der Hütte fließt alles Wasser über den Vänern und Göteborg in die Nordsee, zum Süden alles über Flüsse in die Ostsee. 

Nachdem sich die Gewitter zum Abend verzogen hatten, machten wir ein kleines Feuer im Windschatten der Schutzhütte und ließen den kurzen Wandertag entspannt ausklingen.

Dritter Tag und der Abschied vom Anspruch den Rogensee in einem langen Marsch zu erreichen. 25km und knapp 500 Höhenmeter sind dann doch eine Hausnummer. Also einen geeigneten Biwakplatz auf der Karte erspäht und den langen Aufstieg auf den vierten Tag gelegt. Vorbei an der Storrödtjärnstugan bei bestem Wetter ging es stetig bergab, über Plankenpfade, durch Hochmoore und über kleine Hügel zwischen den Feuchtgebieten. Viele kurze, aber knackige 5-10m Aufstiege kurz vor der Südspitze des Rogensees gingen nochmal ordentlich auf die Pumpe. Die Höhenlinien auf schwedischen Karten arbeiten mit einer Äquidistanz von 20m. Man muss also immer darauf gefasst sein Hügel zu erklimmen, auch wenn es eigentlich stetig bergab geht. Ein schöner Zeltplatz hinter einer Schutzhütte mit Blick auf den Rogen war die Entschädigung.

Wie schon geplant ging es heute über den Tandsjövalen (993m) zur Rogenstugan. Der Aufstieg startete in lichtem Wald über verblocktes Gelände. Je höher wir kamen, desto leichter wurde der Weg. Erste Rentierkühe und Kälber begleiteten unseren Aufstieg und besonders den angeleinten Hund argwöhnisch. Unterhalb des Gipfels bot sich uns ein grandioser Ausblick über den gesamten Rogen und die umliegende Seenlandschaft. 

Der Abstieg zog sich ein wenig länger. Besonders die Wegweiser die in 200m Abstand jeweils 700m bis zum Ziel angaben, waren nicht besonders nett 🙂An der Rogenstugan wurden einfach nur erschöpft die Zelte aufgebaut und ein Tarp gespannt. Für den nächsten Tag war ergiebiger Regen und Wind angesagt. 

Das hieß auch zeitgleich: Ausschlafen 🙂 Man kann sich ungemütlichere Orte zum abwettern aussuchen, als in direkter Nähe zu einer besetzten STF Stugan mit Shop. Nach einem recht ungemütlichen und kaltem Tag im Zelt war eine Dose Köttbullar gemischt mit dem selbstgemachten getrockneten Chili sin Carne eine wohltat nach einem Tag Regen.

Das Wetter blieb etwas ungemütlich, aber ein Tag Pause musste reichen. Nachdem sich die gröbsten Regenwolken verzogen hatten, ging es mit halb nassen Zelten im Gepäck an den Rückweg. Der Einfachheit halber, mit genau denselben Zeltplätzen wie zuvor. Mittlerweile waren wir Büroarbeiter auch ordentlich eingelaufen und machten wesentlich mehr Strecke am Tag. 

Lediglich am letzten Tag, nachdem wir noch einmal an der Wasserscheide unser Biwak aufschlugen, haben wir uns entschieden den kompletten Weg von 25km nach Grövelsjön zurück zu gehen. Für den kommenden Tag waren Sturmböen zwischen 75 und 100km/h angesagt (Windstärke 8-10). Die Aussicht bei zerrendem Wind zu laufen, erschien uns nicht sonderlich verlockend. Also Schuhe nochmal schnüren und über den letzten Berg zum Auto und zur Dusche! 

Zum Abschied präsentierte sich das Langfjället noch von seiner schönsten Seite mit dramatischen Wolken und einem Regenbogen.

Immer wieder stellt man fest, dass der beste Plan für eine Tour der realität angepasst werden muss. Vor der Tour und während der Tour, jeden Tag aufs neue. Es war nicht trotz der Änderungen, sondern deswegen eine gute Tour. Das Wetter, das Gelände, die Mitläufer, die eigene Verfassung bestimmen Tempo, Biwak und Route, und wenn genug Zeit mitbringt, geht das auch komplett ohne Zugzwang.